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Medikamente bei Trauer – Fluch oder Segen? 

Meine Erfahrungen aus der Praxis

Heute möchte ich ein Thema anpacken, das viele von euch bewegt: Können Tabletten wirklich helfen, wenn das Herz vor Trauer zerbricht? Ich erlebe immer wieder, wie verzweifelt Menschen nach Linderung suchen – sei es durch Schlafmittel, Antidepressiva oder pflanzliche Tropfen. Aber dürfen wir Trauer einfach „wegtherapieren“?

Als Trauerbegleiterin bin ich grundsätzlich pro Psychopharmaka, wenn sie richtig eingesetzt werden. Gleichzeitig mahne ich zur Vorsicht: Denn was kurzfristig Erleichterung bringt, kann manchmal wichtige Signale unseres Herzens übertönen.

Wenn die Nacht zum Feind wird: Warum Schlafmittel so verlockend sind

Stell dir vor, du liegst stundenlang wach, dein Kopf rast, und die Erinnerungen an den Verstorbenen fühlen sich an wie ein Erdrutsch. Kein Wunder, dass viele in der Hausarztpraxis nach Beruhigungstropfen oder Antidepressiva fragen.

  • Tranquilizer wie Lexotanil wirken schnell – doch die Abhängigkeitsgefahr ist hoch.
  • Promethazin-Tropfen machen weniger süchtig, aber der Nebel im Kopf bleibt.
  • Antidepressiva dämpfen den Schmerz, brauchen aber Wochen, bis sie wirken – und können Nebenwirkungen wie Schwindel oder Übelkeit mitbringen.

Fakt ist: Diese Medikamente können eine Notbremse sein, wenn der Leidensdruck unerträglich wird. Aber sie sind wie ein Pflaster auf einer tiefen Wunde – sie heilen nicht, sondern decken nur zu.

Die Gefahr, die niemand sieht: Wenn Tabletten die Trauer einfrieren

Hier wird’s kniffelig: Trauer ist keine Depression, auch wenn sich die Symptome ähneln. Und genau hier liegt das Risiko:

  • Psychopharmaka können psychotherapie-würdige Symptome verschleiern – etwa eine echte depressive Episode, die sich hinter der Trauer versteckt.
  • Sie dämpfen Gefühle, die eigentlich durchlebt werden wollen, wie Wut, Schuld oder die quälende Leere.
  • Wer zu lange nur die Symptome behandelt, riskiert, dass die Trauer „stecken bleibt“.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Eine Klientin nahm bevor zu mir kam ein Jahr lang Antidepressiva, um „funktionieren“ zu können. Als sie die Tabletten absetzte, kam die Trauer zurück – unverarbeitet und genauso schmerzhaft wie am ersten Tag.

Mein Plädoyer: Tabletten ja – aber nur als Teamplayer!

Ich möchte niemandem ein schlechtes Gewissen machen, der zu Medikamenten greift! Ja, ich kenne die lauten Vorbehalte gegen Psychopharmaka – „Man wird abhängig“, „Das unterdrückt doch nur die Gefühle“, „Trauer muss man aushalten“. Doch hier halte ich dagegen: Würdest du von jemandem erwarten, mit einem gebrochenen Bein weiterzulaufen – ohne Krücken oder Schiene? Oder eine schwere Infektion ohne Antibiotika auszukurieren? Natürlich nicht!

Trauer kann seelische Verletzungen hinterlassen, die genauso überfordernd sind wie körperliche. Wenn der Schmerz dich so überflutet, dass du nicht mehr atmen, denken oder schlafen kannst, sind Psychopharmaka wie ein stützendes Gerüst – sie tragen dich, bis du selbst wieder genug Kraft hast, um dich aufzurichten. Sie sind kein Ersatz für das Heilen der Wunde (also die Trauerarbeit), aber sie schützen dich vor dem Einsturz, während du Schritt für Schritt die Trümmer wegräumst.

Oder anders gesagt:
Manchmal ist die Trauer wie ein Sturm, der dich ins Meer reißt. Psychopharmaka können dann der Rettungsring sein, der dich über Wasser hält – aber ans Ufer schwimmen musst du selbst. Mit jeder Welle, die du durchtauchst, wirst du stärker.

Das Entscheidende bleibt:

Sie sind wie ein Schutzhelm auf einer Baustelle – er bewahrt dich vor zusätzlichen Verletzungen, aber das Haus (dein neues Leben) baust du trotzdem Stein für Stein selbst.

🔹 Hol dir Fachleute ins Boot! Psychiater:innen sind die Fachleute für Psychopharmaka – und wie lange Medikamente sinnvoll sind.
🔹 Kombiniere immer mit Trauerarbeit! Ob Therapie, Selbsthilfegruppe oder Gespräche im Trauercafé – die Gefühle brauchen Raum, um zu fließen.
🔹 Hör auf dein Bauchgefühl! Macht die Tablette dich emotional „taub“? Dann sprich offen mit deinem Arzt darüber.

Medikamente sind ein Werkzeug, kein Heilmittel. Sie geben dir Stabilität, um Therapie, Gespräche oder Abschiede zu bewältigen.

Trauer ist wie ein Sturm – er muss durchwehen

Keine Sorge: Ich verlange nicht, dass du dich „pur“ durch die Trauer quälst. Aber denk daran:

  • Schlafstörungen sind oft ein Hilferuf der Seele.
  • Antriebslosigkeit kann bedeuten: „Ich brauche Pause, um zu begreifen, was passiert ist.“
  • Selbst Sinnfragen („Wozu das alles?“) sind normale Schritte im Trauerprozess.

Medikamente können dir eine Atempause schenken – bis du wieder Kraft hast. Und weißt du was? Du schaffst das. Vielleicht nicht allein, vielleicht nicht über Nacht – aber Stück für Stück oder von Minute zu Minute.

Was wirklich hilft: Ein Mix aus Empathie und Expertise

Wenn du dich fragst, ob Tabletten für dich richtig sind, stell dir diese Fragen:

  1. „Will ich nur wieder schlafen – oder meine Gefühle komplett ausschalten?“
  2. „Habe ich Unterstützung, die mir auch emotional hilft?“ (Therapie, Seelsorge, Trauergruppe)
  3. „Weiß mein Arzt, dass ich trauere – und nicht ,nur‘ depressiv bin?“

Und ganz wichtig: Geduld. Mit dir selbst, deinem Umfeld, den Wellen der Trauer. Es ist okay, wenn du zwischendurch nach der „Krücke“ Medikament greifst – solange du nicht vergisst, dass dein Herz auch ohne sie heilen kann.

Du bist nicht allein. 💙
Falls du unsicher bist oder einfach reden möchtest, melde dich gerne bei mir. Und denk dran: Trauer ist kein Problem, das man lösen muss – sondern ein Weg, den man Schritt für Schritt geht.

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